Östlich des Plangebiets in ca. 555 m Entfernung befindet sich in der Ruhrstraße ein Betrieb, der mit Kältemitteln und Spezialgasen handelt. Durch die Lagerung und Abfüllung von toxischen und entzündbaren Gasen unterliegt der Betrieb der Störfall-Verordnung (12. BImSchV) in der Fassung vom 15. März 2017 (BGBl. I S. 484, 3527), zuletzt geändert am 3. Juli 2024 (BGBl. 2024 I Nr. 225).
Die Seveso-III-Richtlinie 2012/18/EU vom 4. Juli 2012 zur Beherrschung der Gefahren schwerer Unfälle mit gefährlichen Stoffen verpflichtet die Mitgliedsstaaten dafür zu sorgen, dass in ihren Politiken der Flächenausweisung oder Flächennutzung das Ziel berücksichtigt wird, schwere Unfälle zu verhüten und ihre Folgen zu begrenzen. Konkretisierend führt die Richtlinie dazu aus, dass zwischen Betrieben, die unter den Anwendungsbereich der Störfall-Verordnung fallen und schutzwürdiger Nutzung wie z.B. Wohngebieten ein angemessener Abstand gewahrt werden soll. Diese Forderung wurde mit § 50 BImSchG in deutsches Recht umgesetzt. Mit dem Leitfaden KAS-18 der Kommission für Anlagensicherheit beim Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit sind Konventionen für die Ermittlung des angemessenen Sicherheitsabstands festgelegt worden, die bundeseinheitlich eingehalten werden.
Der angemessene Sicherheitsabstand für den Störfallbetrieb im Umfeld des Plangebietes wurde im Rahmen eines Gutachtens ermittelt und beträgt demnach 600 m. Somit liegt der räumliche Geltungsbereich des Plangebietes anteilig im Osten innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstands. In dem ca. 1.160 m2 großen Bereich des Plangebietes, der in den angemessenen Sicherheitsabstand hineinreicht, sind nur Erschließungsflächen zu den Hauseingängen, die Tiefgaragen-Zufahrt sowie Gebäudeteile des nördlichen Wohngebäudes, welches parallel zum Holstenkamp ausgerichtet ist, geplant. Nach § 3 Absatz 5d BImSchG, der Artikel 13 Absatz 2 der Seveso-III-Richtlinie umsetzt, ist das Abstandsgebot (nur) für schutzbedürftige Nutzungen zu beachten, worunter auch Wohnnutzungen fallen. Entsprechend des von der Bauministerkonferenz beschlossenen Konzeptes zur Umsetzung der Seveso-III-Richtlinie in der Musterbauordnung (MBO) werden Wohngebäude jedoch nur dann als Schutzobjekt erfasst, wenn dadurch dem Wohnen dienende Nutzungseinheiten mit einer Größe von insgesamt mehr als 5.000 m2 Brutto-Grundfläche geschaffen werden. Da im hier vorliegenden Fall jedoch nur rund 840 m2 Brutto-Grundfläche der Wohnnutzung betroffen sind, wird die Wohnnutzung nicht vom Abstandsgebot der Seveso-III-Richtlinie erfasst.
Die Ausführungen in den B-Plan-Unterlagen zum Thema der Störfallbetriebe beziehen sich ausschließlich auf die Möglichkeiten zur Errichtung des in Rede stehenden Gebäudes - weil auch nur dieses hinsichtlich der Schutzwürdigkeit bewertet wird. Es handelt sich nicht um eine wertende Abwägung, die die störfallrechtlichen Belange ganzheitlich berücksichtigt. Zukünftige Vorhaben innerhalb des angemessenen Sicherheitsabstandes, die im Sinne des Störfallrechtes als schutzwürdig einzustufen sind, müssen weiterhin in jedem Einzelfall geprüft werden.